Sportpsychologie: Wieviel Führung braucht eine Mannschaft?
Sportpsychologie
Ein Artikel von Prof. Dr. Sigurd Baumann
Ein Thema erhitzt die Gemüter:
Keine Führungsspieler, deshalb erfolglos?
Oliver Kahn hat mit seinem Vorwurf, die Titelflaute bei Bayern München sei auf das Fehlen von Führungsspielern zurückzuführen, eine breite, kontroverse Diskussion ausgelöst.
Funktionäre des DFB, Trainer und Spieler haben sich zu Wort gemeldet.
Franz Beckenbauer stützt in einigen Punkten die Ansichten Oliver Kahns.
Jürgen Klopp, der Trainer von Borussia Dortmund, stellt fest:
„Der klassische Leitwolf ist eine Legende!“
Die jungen Spieler von Borussia Dortmund sind der Meinung, dass „ unsere Generation Leute hervorbringt, die nicht auf dem Platz herumschreien, sondern genug Feingefühl besitzen, wenn jemand Hilfe braucht!“
Weiterhin wird angeführt, dass modernes Fußballspiel durch Schnelligkeit und kreatives Zusammenspiel gekennzeichnet ist und deshalb ein dominierender Leitwolf, der die Zügel fest in der Hand hat, nicht mehr zeitgemäß sei.
In der Diskussion wird deutlich, dass der Begriff „Führungsspieler“ zwar von allen Beteiligten verwendet wird, dass aber offensichtlich jeder eine andere Vorstellung davon hat.
Seminarreihe Sportpsychologie hier bestellen.
Folgende Fragen bleiben unbeantwortet:
- Welche Aufgaben hat ein Führungsspieler?
- Welche Persönlichkeitseigenschaften und welche persönlichen Fähigkeiten sollen den Führungsspieler auszeichnen?
- In welcher Mannschaft spielt der Führungsspieler? Z.B. Profi – oder Amateurmannschaft, Ligenzugehörigkeit, Zusammensetzung der Mannschaft
- In welchen Situationen tritt er in Erscheinung? Z.B. Krisensituationen, vor dem Spiel, Integration neuer Spieler
Der folgende Beitrag beantwortet diese Fragen.
- Es gibt leistungsstarke und leistungsschwächere Spieler,
- selbstbewusste und unsichere,
- dominante und zurückhaltende,
- schweigsame und sprachgewandte,
- introvertierte und humorvolle u.a.
Jeder Spieler leistet auf seine Weise einen Beitrag zum Mannschaftserfolg.
- Führen ist kein einseitiger Einflussweg vom Führer zum Geführten.
- Führungspersönlichkeiten werden nicht geboren
- Die Führungsrolle fällt denjenigen Spielern zu, die sich am deutlichsten mit den Mannschaftsnormen und den Mannschaftszielen identifizieren und damit den höchsten Beitrag zur Einheit der Mannschaft leisten.
- Führungsspieler zeichnen sich dadurch aus, dass sie in der Rangordnung der Mannschaft ganz oben stehen.
Hier mehr Infos zu den Online-Seminaren Sportpsychologie.
Mehrere Führungsspieler
Die Verschiedenartigkeit der Persönlichkeiten und der Fähigkeiten der Spieler kann der Grund dafür sein, dass in einer Mannschaft mehrere Führungsspieler vorhanden sind, die unterschiedliche Akzente setzen.
Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die Funktionen des Führungsspielers, die wie oben ausgeführt, in einem Spieler vereint, aber auch auf mehrere Spieler verteilt sein können.
Das Vorbild
- Führungsspieler bestechen in erster Linie durch ihr persönliches Vorbild.
- Sie gehören zu den ranghöchsten, d.h. auch zu den spielstärksten Mitgliedern der Mannschaft.
- Die Spielstärke allein genügt jedoch nicht.
- Ein wesentlicher Aspekt im Hinblick auf die Vorbildwirkung besteht in der Ausstrahlung von Selbstbewusstsein, Optimismus und Offensivgeist.
Sollten Krisensituationen auftreten und jüngere Spieler z.B. aus Angst zu verlieren verkrampfen, ihre spielerische Linie verlieren oder die gar „die Flinte ins Korn werfen“ und aufgeben, dann muss der Führungsspieler zur Stelle sein, an dessen selbstbewusstem Auftreten sich die Verzagten wieder aufrichten und neuen Mut schöpfen können.
Als Bestandteil der Mannschaft ist der Führungsspieler besser als der Trainer in der Lage, die emotionale Verfassung der Spieler zu erkennen und auf sie einzugehen.
Spieler, die sich falsch verstanden fühlen, deren Ängste unbeachtet bleiben oder die durch falsch verstandene Kritik demotiviert werden, können durch die Kommunikation mit dem Führungsspieler von ihren Befürchtungen und Missverständnissen befreit werden.
Voraussetzung für emotional intelligentes Verhalten des Führungsspielers ist die Fähigkeit seine eigenen Emotionen zu kontrollieren.
Er muss in der Lage sein, Ärgerreaktionen, Zorn, Wut oder Frustration und Enttäuschung situationsgemäß zu kontrollieren. Nur dann wird er seiner Funktion, die Mannschaft zu leiten und positiv zu beeinflussen, gerecht werden können.
Die Kommunikation mit dem Trainer
Als wichtiges Bindeglied zur Mannschaft sollte der Führungsspieler eine kontinuierliche Kommunikation mit dem Trainer pflegen.
Er kann dem Trainer wichtige Hinweise über Einstellungen von Spielern, über interne mannschaftsdynamische Vorgänge oder über Vorbehalte und Ängste der Spieler geben und diesem bei seiner Entscheidungsfindung hilfreich sein.
Als Vermittler zwischen Trainer und Spielern und umgekehrt, bedarf es eines feinen Gespürs des Führungsspielers, das Vertrauen der Spieler nicht zu enttäuschen. Seine Argumente sollen stets am Mannschaftswohl orientiert und für alle transparent nachvollziehbar sein.
Ein gelungener Kommunikationsprozess zwischen Trainer, Führungsspieler und Spielern trägt wesentlich zur Vertiefung des Mannschaftszusammenhalts und damit zur Optimierung der Mannschaftsleistung bei.
Seminarreihe Sportpsychologie hier bestellen.
Die Kommunikation mit den Spielern
Die Spieler müssen überzeugt sein, dass der Führungsspieler zum Wohl der Mannschaft handelt und die Lösung der gemeinsamen Aufgaben sein vorrangiges Ziel darstellt.
Das Vertrauen zum Führungsspieler ist die Voraussetzung dafür, dass die Spieler seine Informationen aufnehmen, seine Vermittlerrolle zum Trainer akzeptieren und ihm ihre persönlichen Wünsche mitteilen.
Vor allem muss er darauf achten, dass er nicht zu dominierend auftritt. Es besteht sonst die Gefahr, dass andere Spieler in ihrem Handlungsspielraum eingeengt werden und ihr Beitrag zur Mannschaftsleistung durch den dominanten Führungsspieler geschwächt wird.